FAKTENCHECK: IG Biotonne -"Anzeige" gegen den LK BKS-WIL wegen Verstoß §11 KrWG

20.06.2020

Die Interessengemeinschaft für den Erhalt der Biotonne in der Vulkaneifel hat mit Schreiben vom 14.06.2020 gegenüber der Umweltministerin Ulrike Höfken den Verstoß des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers "Landkreis Bernkastel-Wittlich" gegen die Vorgaben des §11 des KrWG zur Getrennterfassung von biologisch abbaubaren Abfällen aus überlassungspflichtigen Abfällen aus Privathaushalten zur Anzeige gebracht.

(Anzumerken ist, dass dies keine "Anzeige" im klassisch definiertem Rechtsrahmen darstellt, sondern eher als Appell, Information, Anregung oder Kritik zu verstehen ist, die das Ministerium hinsichtlich der Prüfung des "Modell Trier Plus" auf Zulässigkeit unterstützen soll. Die rechtlichen Hintergründe sind aufgrund bestimmter Selbstbestimmungsrechte der Kommunen und schwierigen Einflussmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden und Ministerien juristisch sehr komplex.)

Begründung:

Das am 01.06.2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) setzt u. a. die Regelungen der EU-Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL) in deutsches Recht um. Für Bioabfälle enthält § 11 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) eine Regelung zur getrennten Sammlung spätestens zum 1. Januar 2015.

Diese gesetzliche Forderung, Bioabfälle getrennt zu sammeln, geht über das bloße Angebot eines Sammelsystems hinaus. Vielmehr schulden die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen gewissen Sammelerfolg. Das Gebot einer getrennten Sammlung der Bioabfälle korrespondiert mit dem Verbot, Bioabfälle in die Restmüllsammlung zu geben.

Die Pflicht zur getrennten Sammlung nach § 11 Abs. 1 KrWG gilt nur für Bioabfälle, "die einer Überlassungspflicht nach § 17 Absatz 1 unterliegen." Die Überlassungspflicht gilt bei Abfällen zur Verwertung nur für Abfälle aus privaten Haushaltungen und dies nur insoweit eine eigene Verwertung durch die privaten Haushalte nicht vorgesehen ist.

Die bedeutet u.a.

  • die Bioguterfassung, i.d.R. mittels Biotonne, haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger flächendeckend durchzuführen.
  • für eine regionale Beschränkung der Biogutsammlung gibt es keine Rechtsgrundlage.

Diese aus dem KrWG genannten Vorgaben lassen im Umkehrschluss folgende Aussagen und Anforderungen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit eines Sammelsystems zu:

  • Die Sammlung hat flächendeckend zu erfolgen. Das bedeutet für den Zweckverband A.R.T. eine entsprechende Flächendeckung in allen Mitgliedskreisen, keine Zulässigkeit der Querschnittsbildung zwischen den Mitgliedern.
  • Es sind die biologisch abbaubaren Abfälle aus den Privathaushalten zu erfassen und zu bilanzieren, d.h. keine Einbeziehung von biologisch abbaubaren Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen wie Gemeinden oder Gewerbebetrieben bzw. Nichthaushaltungen zur Querschnittsbildung.

In einem Modellversuch hat der Zweckverband A.R.T. in seinem Zuständigkeitsbereich erst mit dreijähriger (!) Verzögerung zum 01.01.2018, und dann auch nur zunächst in Teilbereichen, das "Model Trier Plus" als Bringsystem zur Erfassung der biologisch abbaubaren Abfälle eingeführt.

Zahlen, Daten, Fakten

Im Folgenden werden exemplarisch die aktuellen Zahlen, Daten und Fakten im Landkreis Bernkastel-Wittlich aus den korrespondierenden Systemen der Restmüllerfassung und Biotütenerfassung einer näheren Betrachtung unterzogen.

Es liegen umfassende Informationen vor, die eine Systembewertung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, Leistungsfähigkeit, Bürgerakzeptanz und Umweltfreundlichkeit ermöglichen.

Als Quellen dienen u.a.:

  • die Landesabfallbilanzen RLP
  • Angaben des Statistischen Landesamtes RLP
  • die Abfallwirtschaftsprofile RLP
  • öffentliche Mittteilungen aus den Verbandsversammlungen des A.R.T. vom 17.03.2020 und 04.06.2020

Es wird ebenso dargestellt, dass dieses System im Landkreis Bernkastel-Wittlich weder wirksam noch akzeptiert ist und damit eindeutig nach Auffassung der IG eindeutig gegen die Anforderungen des KrWG verstoßen.

Die seitens des A.R.T. angestrebte Verlängerung des Evaluationszeitraumes ist aus der Konsequenz dieses Gesamtergebnisses nicht begründbar und damit zwingend abzulehnen.

Der Landkreis BKS-WIL ist insbesondere von Bedeutung, da er hinsichtlich des wichtigsten Erfassungssystems, der Restabfallerfassung, als Musterregion im Zweckverband gilt. Hier wird genau das System seit 20 Jahren praktiziert, was abschließend zum 01.01.2020 auf den kompletten Zweckverband übertragen wurde. Somit ist eine Korrelation zu den anderen Mitgliedern herstellbar und inwiefern sich dort die Mengen, hier Rest- und Bioabfallmengen, langfristig entwickeln werden.

Der Landkreis ist flächenmäßig mit 1.168 km² der zweitgrößte in Rheinland-Pfalz und bilanziert aktuell ca. 113.000 Einwohner.

Hinsichtlich des Restabfallaufkommens zeigt die Anlage 1 und die Tabelle gemäß Anlage 2 den Verlauf des Mengenaufkommens seit 1999.

Der Kreis verzeichnete bis zum Jahre 2000 mit 300 kg pro EW/Jahr ein überdurchschnittlich hohes Restabfallaufkommen und zählte damals in negativer Hinsicht zu den Spitzenreitern in RLP. Im Rahmen der Anpassung des Abfallwirtschaftskonzeptes wurde zum 01.01.2001 eine verursachergerechte und leerungsabhängige Gebührenstruktur mit Einführung eines Behälteridentsystems eingeführt. Neben der Reduzierung des Abfuhrrhythmus von wöchentlich auf 14-tägig, Verkleinerung des Pflichtbehältervolumens wurden 12 Mindestentleerungen eingeführt.

Bereits im ersten Betriebsjahr zeigte das System Wirkung. Die Restabfallmenge reduzierte sich von ca. 300 kg um ca. 40 % auf ca. 180 kg pro EW/Jahr. Das System hat sich in den folgenden Jahren etabliert. Die Mengen stabilisierten sich im anschließenden Zeitraum bis 2015 bei ca. 170 kg pro EW/Jahr. Die eingetretene geringe Reduzierung von ca. 5 % Restabfallmenge bis 2015 lässt sich im Wesentlichen auf weitere Maßnahmen, wie z.B. Ausbau der dezentralen Grünschnitterfassung und getrennte Erfassung von Elektroaltgeräten im Holsystem zurückführen. Letzteres wurde jedoch zwischenzeitlich wieder eingestellt.

Gemäß der Publikation "Abfallwirtschaftprofile RLP" aus 2015 wurden für das Jahr 2014 die Ergebnisse der Sortieranalyse des Witzenhausen-Institutes zu Grunde gelegt (s. Anlage 3).

Diese zeigen einen Bioabfallanteil im Hausmüll von 36,5 % bzw. einen spezifischen Gewichtsanteil von ca. 62 kg Küchen- und Gartenabfälle in der Restmülltonne für das Jahr 2014, das einem Jahrespotential von fast 7.000 Mg entspricht.

Der Durchschnitt des Restabfallaufkommens in RLP im Jahre 2015 belief sich zum Vergleich auf 130 kg pro EW/Jahr. Dieser Wert in Verbindung mit der genannten Sortieranalyse zeigt zum einen das hohe Biomassepotential im Restmüll im Kreis BKS-WIL und zum anderen, wie die Forderung des KrWG in der Praxis seine Berechtigung findet.

Dieser dargestellte IST-Zustand ist die Grundlage für die Betrachtung der Folgejahre.

Zum 01.01.2015 wurde aufgrund der Vorgabe zur Getrennterfassungspflicht das "Modell Trier Plus" durch den A.R.T. entwickelt und im Kreis BKS-WIL erst zum 01.01.2018 in Betrieb genommen.

Gemäß Anlage 4 wurden nach Angaben des A.R.T. in 2018 auf Verbandsebene ca. 2 kg und in 2019 lediglich 4 kg Biomüll pro EW/Jahr erfasst.

Für den Restabfall bilanziert der A.R.T. gemäß Anlage 5 speziell für den Kreis BKS-WIL bis zum Jahr 2019 nach eigenen Angaben lediglich einen Rückgang von 1,0 % bzw. 1,7 kg EW/Jahr, was mit der geringen Menge erfasstem Biotütenabfall im Verbandsdurchschnitt korrespondiert.

Einer weiteren Publikation (s. Anlage 6) des A.R.T. aus dem öffentlichen Teil der Verbandsversammlung am 04.06.2020 ist zu entnehmen, dass die Restabfallmenge im 1. Quartal 2020 gegenüber dem 1. Quartal 2019 sogar um 0,6 % gestiegen ist.

Diese Mengensteigerung korreliert mit der Änderung der Gebührensystematik zum Jahreswechsel 2019/20, die Anzahl der zu zahlenden Mindestentleerungen von 12 auf 13 anzuheben, was nachweislich als Anreiz zu besseren Abfalltrennung eine kontraproduktive Wirkung hat.

Bzgl. der Standortsituation im Lk BKS-WIL und deren Bewertung wird auf eine frühere Sachverhaltsdarstellung verwiesen (s. Faktencheck).

Nach Angaben des A.R.T. hat sich die Anzahl der Containerstandorte im laufenden Jahr nur geringfügig von 120 auf 127 erhöht, was jedoch zu keiner qualitativen Verbesserung der Flächendeckung beiträgt und somit die mangelhafte Ausstattung weiterhin bestand hat.

Aktuell ist zu beobachten, dass Standorte mit zusätzlichen Containern ausgestattet werden, obwohl das geringe Mengenaufkommen, dies nicht erfordern würde. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird jedoch gerne mit einer Vergrößerung der Containeranzahl eine erfolgreichere Systementwicklung suggeriert, die jedoch aus Bürgersicht unerheblich und unnötig kostenintensiv ist.

Fazit:

Im Landkreis Bernkastel-Wittlich zeigen die Zahlen, dass das Restabfallaufkommen seit 2001 zwar weitestgehend stabil bzw. nur geringfügig rückläufig ist, jedoch im Landesvergleich dennoch auf einem überdurchschnittlichen hohen Niveau sich bewegt.

Die Sortieranalyse aus dem Jahr 2014 belegt, dass die Restmülltonne zu einem Drittel aus biologisch abbaubaren Abfällen besteht.

Die Betrachtung des Zeitraumes ab 2015 liefert keinerlei Wirkung der gesetzlich geforderten Getrennterfassung. Eine nennenswerte Mengenveränderung ist nicht erkennbar.

Es besteht weder eine Nutzungsakzeptanz in der Bevölkerung noch eine weitergehende Bereitstellungsakzeptanz für zusätzliche Containerstandorte in den Ortsgemeinden (s. Stellungnahme zum "Missbrauch der Gemeinden").

Weitere Aspekte wie Diskriminierung alter und behinderter Menschen, Hygiene, Seuchenhygiene und Wirtschaftlichkeit wurden bereits an anderer Stelle umfassend erläutert.

Somit besteht für die Zukunft kein erkennbares Potential für eine Systemverbesserung.

Nach Auffassung der IG

  • hat das System im Landkreis Bernkastel-Wittlich eindeutig versagt.
  • wird der Standard der Rechtskonformität gemäß KrWG nicht erfüllt.
  • Kann das "Modell Trier Plus" im Hinblick auf die von der Kommunalaufsicht geforderte Vereinheitlichung der Systeme, unabhängig von der Wirksamkeit des Systems in den anderen Kommunen (z.B. im Vulkaneifelkreis), in Konsequenz der Unzulässigkeit nicht als Regelsystem für den Gesamtzweckverband zu Grunde gelegt werden

Mit Blick auf die dargelegten Fakten und im Sinne einer rechtskonformen Umsetzung des KrWG wird das Umweltministerium aufgefordert kurzfristig eine Entscheidung herbeizuführen. Eine weitere Verzögerung wäre aus fachlicher und rechtlicher Sicht nach Auffassung der IG nicht nachvollziehbar und den BürgerInnen, aber auch den übrigen OrE in RLP, nicht mehr zu vermitteln.