Das Biotütenmodell - Missbrauch der Gemeinden oder Verstoß gegen Grundsätze der Gemeindehaushaltsfinanzierung?
Das bekannte System "Trierer Modell Plus" des ZV A.R.T. zur Getrennterfassung biologisch abbaubarer Abfälle aus Privathaushalte im Sinne des §11 KrWG basiert hinsichtlich der Umsetzung darauf, dass Ortsgemeinden und Städte kommunale Flächen zur Verfügung stellen, auf denen der ZV A.R.T. Sammelcontainer aufstellen kann.
Das System ist im Vulkaneifelkreis seit dem 01.01.2020 und in den übrigen Verbandsmitgliedern bereits seit dem 01.01.2018 in Betrieb.
Die Leistungen der Ortsgemeinden und Städte lassen sich zwischenzeitlich aufgrund der vorliegenden umfangreichen Erfahrungen wie folgt zusammenfassen:
- Bereitstellung und Herrichtung von Standplätzen
- Unterhaltung der Standplätze insbesondere Beseitigung von widerrechtlichen Ablagerungen
- Koordination und Betreuung der Aufstellung, Reklamationsbearbeitung
- Bearbeitung von Bürgeranliegen
- Meldung von Überfüllungen an den Systembetreiber
- Örtliche Abfallberatung
- Verwaltung, Lagerung, Verteilung von Biotüten (Verbandsgemeinden)
Dem genannten Leistungspaket ist nach unseren Informationen keine Vertragsvereinbarung zwischen den jeweiligen Gemeinden und Städten und dem ZV A.R.T. hinterlegt. Ebenso fehlen rechtsverbindliche Vereinbarungen hinsichtlich Winterdienst, Vandalismus, Diebstahl oder Missbrauch der Einrichtung.
Die Gemeinden erhalten für diese Leistungen keine Aufwandsentschädigung von Seitens des ZV A.R.T., somit werden diese Leistungen kostenfrei erbracht.
Ebenso ist festzuhalten, dass im Vorfeld der Beschlussfassung zur Einrichtung des "Trierer Modell Plus" die Gemeinden nicht beteiligt wurden. Erst im Nachgang, d.h. nach der satzungsrechtlichen Umsetzung auf Verbandsebene, wurden die Ortsgemeinden und Städte aufgefordert entsprechende Standorte zu melden und gebeten das System zu unterstützen.
Aus diesem Grunde kann hier berechtigt die Frage aufgeworfen werden, ob hier einen Verstoß sowohl gegen die kommunalrechtlichen Belange der Gemeindefinanzierung als auch gegen die Finanzierungsverpflichtung hoheitlicher Aufgaben auf Grundlage des kommunalen Abgabegesetzes (KAG) vorliegt.
Die
Zuständigkeit zur Getrennterfassung von biologisch abbaubaren Abfällen ergibt
sich aus den Vorgaben des KrWG in Verbindung mit dem LKrWG. In der Region
Trier, u.a. dem Vulkaneifelkreis, wurde die Zuständigkeit auf den ZV A.R.T.
übertragen.
Die Gemeinde- und Verbandsgemeindeverwaltungen sind zwar gemäß §4 Abs. 5 des LKrWG aufgefordert die Landkreise bzw. den ZV A.R.T. bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Abfallentsorgung zu unterstützen, woraus sich jedoch zum einen keine Verpflichtung und zum anderen keine kostenfreie Leistungserbringung ableiten lässt.
Neben dem genannten Abfallrecht ist auf Landesebene weiterhin das kommunale Abgabegesetz (KAG), welches die Grundlagen über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Einrichtungen der Abfallwirtschaft regelt, heranzuziehen.
Demnach soll der Aufwand der Abfallwirtschaft vollständig über Gebühren gedeckt werden (Kostendeckungsgebot).
Der ZV A.R.T. vertritt den Ortsgemeinden und Städten gegenüber den Standpunkt, dass diese bereits eine Aufwandsentschädigung von 1,15 € je Einwohner und Jahr für die Unterhaltung von sogenannten "Wertstoffinseln" erhalten und damit der zusätzliche Aufwand abgegolten sein sollte. Unter "Wertstoffinsel" wird hier die Kumulierung unterschiedlicher Sammelsysteme im Bringsystem an einem Standort verstanden, wie Altglas-, Altkleider und Bioabfallcontainer. Diese Standorte finden sich in jeder Gemeinde. Die Anzahl orientiert sich an der Einwohnerzahl.
Ist die Verbindung dieser Zahlung mit der tatsächlichen Leistungserbringung der Gemeinde im Zusammenhang mit dem "Trierer Modell Plus" eine Falschdarstellung?
Dieses Geld, der oben genannte Pauschalbetrag, wird auch als "Nebenentgelt" bezeichnet und ist rechtlich über die Verpackungsverordnung und einer individuellen Abstimmungsvereinbarung zwischen den Dualen Systemen und dem jeweiligen örE, in unserem Fall mit dem ZV A.R.T., verankert.
Die Nebenentgelte sind Kosten, die die Dualen Systeme den örE zahlen müssen. Laut Verpackungsverordnung müssen die Dualen Systeme sicherstellen, dass die Verpackungen der Bürger wieder eingesammelt werden. Dies geschieht neben der gelben Tonnen- oder Sacksammlung auch in großen Behältern an Containerstellplätzen, an denen in unserer Region meist Glas gesammelt wird. Für die Miete dieser Plätze, das Sauberhalten der Standorte und für den Abdruck der Abholdaten im Abfallkalender überweisen die Dualen Systeme dem ZV A.R.T. die Nebenentgelte, der Zweckverband ist wiederum verpflichtet ein Großteil davon an die Ortsgemeinden und Städte, d.h. an die Platzbetreiber, abzuführen, der Rest verbleibt bei der ART z.B. für Öffentlichkeitsarbeit.
Das Geld stammt somit nicht aus dem Gebührenhaushalt, sondern aus der Lizenzierung der Verkaufsverpackungen und wird somit durch den Verbraucher beim Wareneinkauf finanziert.
Die Gemeinden im Verbandsgebiet erhalten über die Nebenentgelte der dualen Systeme ca. 530.000 EW x 1,15 €/EWa = 609.500 €/a bzw. im Vulkaneifelkreis ca. 70.000 ,-€ pro Jahr.
Der tatsächliche und zusätzliche Aufwand der Städte und Gemeinden für die Unterstützung des Biotütensystems wird aufgrund der deutlich größeren Anzahl an Standorten, des höheren Abfallaufkommens und problematischeren Art und Beschaffenheit des Abfalls (schnell verderblicher Bioabfall) erheblich über dem Kostenansatz der Glascontainervergütung einzustufen sein.
Nach unserer Einschätzung erbringen die Ortsgemeinden und Städte "freiwillige Leistungen" mit einem geldwerten Vorteil für den ZV A.R.T. in einer Größenordnung von über 1 Mio. € bezogen auf den Gesamtzweckverband bzw. auf über 100.000,- € bezogen auf den Vulkaneifelkreis.
Eine Tatsache mit maßgeblicher Kostenrelevanz im Rahmen der Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung der Systemwahl, die der ART jedoch scheinbar sehr großzügig vernachlässigt bzw. ignoriert.
Als Praxisbeispiel können hier z.B. die Erfahrungen der Stadt Gerolstein herangeführt werden.
Der Stadtbürgermeister Herr Scheider hat dazu in der öffentlichen Sitzung des Kreisausschusses am 27.01.2020 im Vulkaneifelkreis ausgeführt, dass nach seiner Bilanzierung der tatsächliche Aufwand der Stadt für die o.g. Systemunterstützung mit einem Betrag von ca. 30.000,- €/a bzw. mit einer NAK von 0,5 gleichzusetzen ist, dies ohne den eigenen ehrenamtlichen Zeitaufwand zu berücksichtigen.
Fazit:
Die Dienstleistungen der Ortsgemeinden und Städte im Rahmen der Umsetzung des "Trierer Modell Plus" im "Auftrag" des ZV A.R.T. stellt nach unserer Einschätzung weder eine Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis noch eine Pflichtaufgabe nach Weisung (Weisungsaufgabe) dar.
Es ist eine freiwillige Leistung, die hinsichtlich der Zuständigkeit, der Finanzierung und Verpflichtung nach unserer Auffassung unzulässig ist und somit dringend eine kommunalrechtliche Überprüfung erfordert.
Viele Gemeinden und Städte in der Region verfügen über einen unausgeglichenen und überschuldeten Haushalt. In vielen Bereichen sind diese seitens der Kommunalaufsicht angehalten, Einnahmequellen, wie z.B. die Erhöhung von Steuersätzen, und Ausgaben, wie z.B. freiwillige Leistungen zur Vereinsförderung, auszuschöpfen bzw. zu streichen.
Betroffene Kommunen sollten dringend in diesem Zusammenhang folgende Fragestellungen prüfen:
- Besteht eine Vergütungsverpflichtung seitens des ZV A.R.T. gegenüber den Kommunen?
- Besteht ein Vergütungsanspruch seitens der Ortsgemeinden und Städte für die freiwillige Übernahme Gebühren finanzierter Pflichtaufgaben eines örE?
- Für den Fall, dass der ZV A.R.T. einen
Vergütungsanspruch verweigert, müsste in diesem Fall eine Gemeinde oder Stadt
im Falle eines unausgeglichenen Haushaltes die Ausführung dieser freiwilligen
Leistung zwangsweise verweigern, da auch im Tagesgeschäft stillschweigend
erbrachte Personal- und Sachleistung nachteilig auf den Gesamthaushalt wirken?
Maßgebend ist jedoch, dass Gemeinden und Städte keinerlei rechtliche Verpflichtung haben, die Leistungen für den ZV A.R.T. in dieser Form zu erbringen.