KOMMENTAR: „Tüte oder Tonne, von der Unfähigkeit eines Zweckverbandes und warum ein Bürgerbegehren sich zur Farce entwickelte!“

12.08.2022

"Alea iacta est." - Die Bürger und Bürgerinnen im Kreis Vulkaneifel, dem kleinsten Mitglied des Zweckverbandes ART haben entschieden - die "Biotüte" bleibt vorerst, die häusliche flächendeckende Biotonne wurde abgelehnt. Die Kommunalpolitik ist aus der Verantwortung, lehnt sich entspannt zurück, der ART frohlockt und fühlt sich bestätigt.

Soweit das nüchterne Ergebnis einer basisdemokratischen Entscheidung per Bürgerentscheid im Juni 2022, den die dortige Kommunalpolitik aus Mangel an Mut eigene Fehlentscheidungen zu korrigieren in 2021 initiiert hatte.

Obwohl seit Abschaffung der Biotonne Ende 2019 massive Proteste in der Vulkaneifel aufkamen, endete die Abstimmung mit 60 % deutlich und für viele unerwartet zu Gunsten des bestehenden Biotütensystems.

War dieses Ergebnis vorhersehbar?

JA

Das Ergebnis verwundert nicht wirklich. Es ist genau das eingetreten, warum die Biotonnenbefürworter stets eine derartige "Bürgerbefragung" in der Vergangenheit abgelehnt hatten.

Eine demokratische Entscheidung ist natürlich zu respektieren. Dennoch steht und fällt die Qualität einer Entscheidung stets mit der Qualität der zugehörigen Meinungsbildung und Informationsgrundlage.

Und hier gilt für das Bürgerbegehren: "Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht!"

Es hat sich leider bestätigt, dass sowohl die Verwaltung als auch die Kommunalpolitik sehr amateurhaft das Thema bearbeitet hat und der Zweckverband, obwohl zuständige Fachabteilung, sich komplett aus der Verantwortung gezogen hat.

Denn, wofür entscheidet sich ein Durchschnittsbürger bei der Fragestellung, sinngemäß: "Wollen Sie ein 100%iges freiwilliges System ohne Gebührenerhöhung oder ein 100%iges verpflichtendes System mit einer 28%igen Gebührenerhöhung?" und das zu einer Zeit explodierender Neben- und Energiekosten.

Zusätzlich wurde hier die Gleichwertigkeit von zwei komplett unterschiedlichen Systemen fälschlicherweise suggeriert, was einer bewussten Vortäuschung falscher Tatsachen gleichkommt.

Da ist es schon fast ein Wunder, dass immerhin 40 % sich pro Biotonne ausgesprochen haben.

Es muss leider festgestellt werden, dass das zur Auswahl gestellte Biotonnenkonzept fachlich als auch inhaltlich dilettantisch aufbereitet wurde. Bereits die Vorgabe einer Pflichtbiotonne ohne jegliche Freistellungsmöglichkeit für Eigenkompostierer ist komplett an der Lebensrealität vorbeigeplant und genügte, dieses Begehren ad absurdum zu führen. 

Die Verantwortlichkeit liegt hier klar bei der Verwaltung, die in der Pflicht war, die Wahlberechtigten sachgerecht zu informieren und aufzuklären.

Die den Bürgern zur Verfügung gestellten Informationen waren an Minimalismus kaum zu unterbieten. Eine Reduzierung der Inhalte nur auf Kosten und Systembeschreibung wurde dem komplexen Thema einer Getrennterfassung bei Weitem nicht gerecht.

Es erfolgte keine gesamtheitliche und objektive Aufbereitung mit den tatsächlichen Vor- und Nachteilen der Systeme.

Insbesondere wurden komplett folgende Aspekte außer Acht gelassen:

  • der Barrierefreiheit und Diskriminierung von körperlich beeinträchtigten Menschen,
  • die mangelnde Leistungsfähigkeit und fehlende Flächendeckung eines Bringsystems,
  • die Bürgerfreundlichkeit eines Serviceangebotes,
  • die Finanzierung des Bringsystems komplett zu Lasten der Gemeinden, der dualen Systeme und dem Individualverkehr,
  • eine reale Ökobilanz und die Chancen einer dezentralen regionalen nachhaltigen stofflichen und energetischen Wertschöpfung,
  • die seuchenhygienischen Gefahren aus dem Betrieb von hunderten Futtersammelplätzen in Ortsrandlagen,
  • die verschärften Anforderungen aus der Novellierung der BioAbfallV,
  • die Konsequenzen aus dem EU-Emissionshandel und der sich daraus ableitenden Notwendigkeit der Restabfallreduzierung,
  • die Gebührenrelevanz und die Möglichkeit einer langfristigen Stabilisierung
  • und, und, und....

Der Zweckverband, obwohl verantwortlicher öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, glänzt durch Teilnahmslosigkeit, einem Totalversagen und schaut zu, wie ein Verbandsmitglied offenen Auges gegen die Wand fährt, wohlwissend, dass damit ein in der bundesweiten Fachwelt eindeutig abgelehntes System vermeintlich zementiert wird.

Die Kritik an die Biotonnenbefürworter, dass diese ja eine Aufklärungsarbeit hätten leisten können, muss an dieser Stelle zurückgewiesen werden. Die Befürworter sind weitestgehend nur über soziale Medien aktiv und hier werden nur ein Bruchteil der Öffentlichkeit erreicht. Das Potential wurde definitiv erreicht und mobilisiert.

Die Verwaltung und der ART haben jedoch fast unbegrenzte Möglichkeiten einer 100%igen Erreichbarkeit der Bevölkerung durch Rundschreiben, Pressearbeit etc. und sind somit entsprechend in der Verantwortung.

Bedauerlicherweise ist ebenfalls festzustellen, dass der Beitrag zur Aufklärung durch die politischen Parteien hier gegen Null geht und zu vernachlässigen ist, Es zeigt lediglich, dass dieses Begehren ein Mittel zum Zweck war, sich komplett aus der Verantwortung zu ziehen und sich einem unpopulären Thema zu entledigen. Da ist es jetzt einfach sich hinter einer derartigen Entscheidung zu verstecken.

FAZIT:

Eine basisdemokratische Entscheidung ist eins der höchsten Güter der Mitbestimmungsmöglichkeit in unserer Demokratie. Da ist es unverantwortbar, wenn dieses Instrument durch dilettantisches Handeln zur Farce verkommt und eher dazu dient, die "Reitbarkeit eines toten Pferdes" durch Aufsetzen eines pseudodemokratischen Heiligenscheins zu propagieren.

Das Modell Trier Plus ist und bleibt ein reines Alibisystem zur Wahrung einer Scheinrechtskonformität gegenüber den Anforderungen des KrWG ohne Zukunft und Daseinsberechtigung.


Anmerkung:

  • Der Vulkaneifelkreis hatte bis Ende 2019 rechtkonforme und bewährte Satzungsregelungen, die u.a. auch eine Freistellung für Eigenkompostierer vorsah. Es gab in der Vergangenheit kein Regelungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit, d.h. auch insbesondere beim ART. (Hintergrundinformationen finden sich hier)  
  • In RLP besteht keine Notwendigkeit zur Umsetzung einer Pflichtbiotonne.(Hintergrundinformationen finden sich hier)