FAKTENCHECK: Daten und Fakten zur „alten“ Biotonne im Vulkaneifelkreis vor dem 31.12.2019

04.07.2020

In den Gremien und den sozialen Netzwerken wird wiederholt über das "alte" Biotonnensystem in der Vulkaneifel philosophiert, dass zum 31.12.2019 abgeschafft wurde.

Es ist leider festzustellen, dass gerade Kreistagsmitglieder oder andere verantwortliche Personen, so u.a. auch Landrat Thiel persönlich, mit der tatsächlichen Faktenlage scheinbar leider nicht wirklich vertraut sind.

Dies zeigt sich z.B. aktuell im Zusammenhang mit der neuen Planung zur Einführung einer "freiwilligen" Biotonne als Ergänzung zum bestehenden freiwilligen Tütenbringsystem. Gerne wird hier als Begründung auf eine Fortführung des "alten" vermeintlich freiwilligen Systems und Beibehaltung des alten Kostenniveaus gesprochen.

Dazu hier die Beantwortung entsprechender Fragestellungen:


1.) Was hat die Biotonne früher in der Vulkaneifel gekostet?

Dazu genügt ein Blick in die alten Abfallgebührensatzung (s. Anlage 1).
Die Gebühr orientierte sich an der Anzahl der meldepflichtigen Haushaltsbewohner.

Die Kosten für eine 120 Liter Biotonne mit 14-tägiger Abfuhr ergab sich aus der Differenz des Regelgebührensatz abzgl. Nachlass für Eigenkompostierer (s. Anlage 2):

1-Personen-Haushalt: 38,40 €

2-Personen-Haushalt: 51,60 €

3-Personen-Haushalt: 61,20 €

4-Personen-Haushalt: 68,40 €

5- und mehr Personen-Haushalten: 72,00 €

Zusätzlich bestand die Möglichkeit, dass mehrere Haushalte z.B. in Mehrfamilienhäusern auf einem Grundstück eine Müllgemeinschaft bilden und gemeinschaftlich eine Biotonne nutzen konnten, wodurch sich die Gebühren je Haushalt nochmals reduziert haben. Dadurch wurden auch die sozialen Komponenten und das unterschiedliche Nutzungsverhalten von Eigenheimbesitzern und Mietern hinreichend berücksichtigt.


2.) War die Biotonne "verpflichtend"?

Grundsätzlich JA!
Dazu definierte § 44 Abs. 1 der damals gültigen Abfallsatzung des ART (s. Anlage 3) den Anschluss- und Benutzungszwang für alle anschlusspflichtige bewohnte Grundstücke, d.h. auch ausdrücklich die Vorhalte- und Nutzungsverpflichtung, für einen Biobehälter.


3.) Gab es eine Verpflichtung zur Trennung von Bioabfällen vom Restabfall?

JA!

§ 44 Abs. 6 (s. Anlage 4) der Abfallsatzung schrieb vor, dass über die Restmülltonne kein Grüngut- und Bioabfall entsorgt werden durfte.


4.) War es in der Vergangenheit erlaubt Gartenabfälle über die Biotonne zu entsorgen?

JA!

§ 44 Abs. 7 (S. Anlage 4) der Abfallsatzung definierte, dass über die Biotonne alle organischen Abfälle wie Küchen- und Gartenabfälle entsorgt werden durften.


5.) Gab es eine Freistellungsmöglichkeit für Eigenkompostierer?

JA!

§ 41 (s. Anlage 3) der Abfallsatzung definierte die Regelungen zur Gewährung der Freistellung vom Anschluss- und Benutzungszwang der Biotonne. Eine Befreiung für Eigenkompostierer auf Nachweis war möglich. Entsprechende reduzierte Gebührensätze wurden über § 26 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung (s. Anlage 1) geregelt.


6.) Waren die "alten Regelungen" unter heutigen Gesichtspunkten rechtskonform?

JA!

Die o.g. Rahmenbedingungen für die flächendeckende Erfassung von biologisch abbaubaren Abfällen sind nachweislich gesetzeskonform und gelebte Praxis. So haben aktuell 50 % der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in RLP genau diese satzungsrechtlichen Regelungen in ihren aktuellen Abfallwirtschaftskonzepten verankert.
Der Staatssekretär Dr. Griese aus dem Umweltministerium RLP hat dies ausdrücklich im Rahmen der Podiumsdiskussion in Gerolstein im März 2020 öffentlich bestätigt und diese selbst zitiert!


7.) Warum gab es in der Vulkaneifel nur eine Anschlussquote von ca. 42 %?

Die offiziellen Angaben zur Anschlussquote in der Vulkaneifel variieren. Es ist jedoch anhand der offiziellen Daten erkennbar, dass sich die Anschlussquote im Zeitraum von 2015 bis 2019 sogar von ca. 50 % auf 42 % reduziert hat, trotz einem o.g. Anschluss- und Benutzungszwang.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Anschlussquote bei vergleichbaren Kommunen in RLP liegt bei 70 bis 90 %.

Die satzungsrechtlichen Regelungen in der Vulkaneifel waren rechtskonform. Es ist davon auszugehen, dass es ein Versäumnis der Verwaltung und der ART war, diese zu überwachen und zu vollziehen. Anträge auf Eigenkompostierung wurden vermutlich ungeprüft und sehr großzügig bewilligt. Zusätzlich bestand seitens des ART keinerlei Interesse die Anschlussquote anzuheben, um ggf. Kosten für die Allgemeinheit zu reduzieren, da die Biotüte eindeutig das favorisierte System darstellte und die Biotonne abgeschafft werden sollte.
Heute wird suggeriert, dass es sich bei dem alten System aufgrund der geringen Anschlussquote um ein "freiwilliges" System gehandelt habe ohne mehrheitliche Akzeptanz. Dies ist letztendlich jedoch nur auf Vollzugsdefizite zurückzuführen mit entsprechenden Ungerechtigkeiten innerhalb der Finanzierungsstruktur des Gebührenhaushaltes.

Fazit:

Der Vulkaneifelkreis verfügte bis zum 31.12.2019 über ein rechtskonformes Erfassungssystem für die Getrennterfassung von biologisch abbaubaren Abfällen nach dem aktuellen anerkannten Stand der Vollzugspraxis mit angemessenen wirtschaftlichen Konditionen.

Die 14-tägige Regelabfuhr, die Umsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs mit Freistellungsmöglichkeit für Eigenkompostierer ist bundesweit als Systemlösung anerkannt.

Dieses anerkannte und leistungsfähige System wurde durch ein freiwilliges Tütenbringsystem ersetzt, dass in allen Belangen versagt hat, extrem unwirtschaftlich, diskriminierend, umweltfeindlich und bürgerunfreundlich ist. Gleichzeitig wird das Modell "Biotonne" der Öffentlichkeit und den Gremien gegenüber durch absolut unseriöse Kalkulationen, überhöhte Kostenprognosen oder gezielte Manipulation in Misskredit gebracht.