Landkreis Vulkaneifel - Die Biotonne ist zurück, aber.....!

24.06.2020

Ein Kommentar zur Kreistagssitzung am 22.06.2020 im Vulkaneifelkreis und zum Antrag von Bündnis90/Die Grünen (s. Anlage), der mehrheitlich verabschiedet wurde:

Die Bürgerbefragung ist vom Tisch, die Biotonne wieder da..... und jetzt sind wir doch eigentlich am Ziel, zumindest auf den ersten Blick, oder?


Aber was ist tatsächlich von dem Beschluss des KT am 22.06.2020 in Daun auf Antrag der Grünen über die Einführung einer "freiwilligen" Biotonne als Zusatzleistung zum bestehenden Bringsystem gegen eine Vollkostenerstattung durch die Nutzer zu halten?

Wir möchten fair sein, deswegen zunächst eine positive Sichtweise:

Die Bürgerbefragung ist vom Tisch, diese wäre unnötig und teuer gewesen, der Bürgerwille ist hinreichend bekannt. Somit ist diese Wendung als positiv zu werten. Eine zentrale Forderung wurde erfüllt.

Die Biotonne ist nun (oder hoffentlich sehr schnell) offiziell wieder Bestandteil im Abfallwirtschaftskonzept und Angebot des ART, d.h. der ART muss sich technisch, organisatorisch, wirtschaftlich und auch hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit von offizieller Seite mit diesem aus deren Sicht unangenehmen Thema beschäftigen und diese kommunizieren. Dadurch wird die Biotonne nicht nur in der Vulkaneifel, sondern auch in den anderen Verbandsmitgliedern in den kommenden Jahren Diskussionsstoff liefern.

Insofern tatsächlich ein kleiner Teilerfolg. Ebenso muss u.E. auch zunächst anerkannt werden, dass gerade die Grünen, die in den letzten Monaten intern und von Außen unglaublich viel Kritik einstecken mussten, die Initiative ergriffen und den Versuch gestartet haben, jetzt doch kurzfristig einen gut gemeinten Kompromiss zu finden sowie auf die anderen Fraktionen zu zugehen.

Absolut bemerkenswert ist (und das erachten wir als einer der positiven Highlights des Abends), dass die CDU nach vielen Jahren der Blockadehaltung und der restriktiven Gegenwehr gegen die Biotonne auf Verbandsebene nun ausdrücklich aktiv für die Einführung einer Biotonne gestimmt hat. Das entsprechende politische Erdbeben im Biotüten-Bermudadreieck "Wittlich-Trier-Kaschenbach" ist sicherlich ein Gefühlserlebnis. Damit ist den Grünen tatsächlich eine kleine Überrumplungsaktion geglückt. Die CDU wurde geschickt sehr kurzfristig unter Zugzwang gesetzt und eine Zustimmung abverlangt.

Politisch betrachtet ist es ein Punktsieg für die Grünen und eine Schlappe für die Verwaltung bzw. ART und die CDU. Dies freut uns umso mehr, da gerade die Grünen tatsächlich in Sansiber jüngst des Öfteren über den Tisch gezogen wurden und so eine kleine Retourkutsche platzieren konnten. Der Stachel sitzt zunächst einmal tief und wird hoffentlich spürbare Folgen haben.

Aber......

was sind die Konsequenzen aus dieser Entscheidung.

Vorweg, natürlich halten wir den Antrag der Opposition auf sofortige Wiedereinführung der Biotonne für den absolut besseren und tatsächlich auch intelligenteren Vorschlag, aber wir leben in einer Demokratie, es entscheidet das Souverän und das ist hier per Mehrheitsbeschluss geschehen, das müssen wir zunächst akzeptieren und die nächsten Schritte abarbeiten. 

Es war aus sich der Grünen fast "klug" niemanden im Vorfeld zu fragen, der tatsächlich Ahnung von der Materie hat, denn jeder hätte von dieser Variante dringend abgeraten. :-)
In Deutschland existieren ca. 400 Gebietskörperschaften mit Biotonne, aber eine derartige Kombination findet sich u.W. fast nirgendwo, warum nur? 

Aber das Positive, dadurch ist die Bürgerbefragung unter den Tisch gefallen. Stichwort "Bürgerbefragung", was hat Sansibar, der Landrat und andere hart gekämpft und Werbung dafür gemacht, was haben wir für Vorwürfe einstecken müssen, weil wir diese nicht unterstützen, es wurde von eine breiten öffentlichen basisdemokratischen Beteiligung auf Basis eine sachlichen Entscheidungsgrundlage gesprochen und wie wichtig die Meinung der Bürger sei, und jetzt, einfach geplatzt? Uns freut es natürlich, aber was denken nun deren Wähler und Anhänger, die vielleicht auch lieber die Biotonne bevorzugen und sich dieser Befragungsidee untergeordnet und schlichtweg ruhig gestellt haben? Wie schnell wird hier ein Fähnchen gedreht. In anderen Fällen wird sowas auch gerne als Wahlbetrug bezeichnet, aber das sollte nicht unsere Sorge sein. Vielleicht öffnet jedoch dem einen oder die anderen die Augen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit bei manchen Entscheidungsträgern. Zusätzlich ist es echt erstaunlich, dass ein Kreistag, hier insbesondere Sansibar, über so viele Monate der Beratung, der öffentlichen Verärgerung es nicht geschafft hat, sich fachlich bei diesem Thema weiterzuentwickeln, sich überregional zu informieren und den Menschen zuzuhören, stattdessen werden in der Sitzung weiterhin alte Behauptungen wiederholt, die längst überholt sind ("Pflichtbiotonne", Freistellung Eigenkompostierung, zurück zum alten System, 43 % Anschlussquote, Fehlbefüllung der Biotonne mit Gartenabfällen in der Vergangenheit, das alte System war unsozial usw.). Teilweise war der Eindruck, dass viele gar keine Lust mehr hatten sich dem Thema zu stellen, Hauptsache eine Entscheidung des lieben Friedens willen. Zusätzlich der Versuch mit diesem Kompromiss den Frieden wieder herzustellen, aber ein bisschen Schwanger gibt es nicht, halbherzig, unausgegoren und abenteuerlich... 

Das unsinnige diskriminierende, unwirtschaftliche, umweltfeindliches, unhygienisches und ekelige Containerbringsystem bleibt weiterhin bestehen mit all seinem Versagen...dazu wurde bereits genug hier berichtet.

Logistisch wird diese Systemdopplung für den Entsorger ganz schwer zu kalkulieren sein. Er wird entsprechende Sicherheiten einrechnen. Derzeit fahren z.B. zwei Sammelfahrzeuge durch den Vulkaneifelkreis und diese sind ausgelastet. Zukünftig muss ein Entsorger zusätzlich Biotonnen entleeren mit einem Anschlussgrad nach Prognose der Grünen von 30 %. Da es sich hier um ein freiwilliges System handelt, kann jederzeit, irgendwo, irgendwann eine Biotonne dazu kommen oder abgezogen werden, das in der letzten Ecke des Landkreises. Bzgl. der Kalkulation muss also der Entsorger davon ausgehen, den kompletten Kreis, jeder Ort, jede Straße alle zwei Wochen abzufahren, egal ob jetzt eine oder hundert Behälter in einem Ort stehen. Das Ganze wird zu einem lustigen Suchspiel für die Fahrer. Unter wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten eine Katastrophe. 

Technisch gesehen wird es so ohne weiteres mit den alten Tonnen, die noch bei den Bürgern stehen, wahrscheinlich nicht funktionieren. Die Behälter müssen eindeutig für die Fahrer als "legal" und "bezahlt" erkennbar sein und das geht heutzutage im Grund nur noch mit einem eingebauten Chip, wie bei der Restmülltonne, und der damit gegebenen Möglichkeit einer automatisierten Erkennung.

Aufgrund des sehr alten Behälterbestandes wird es wirtschaftlich wenig Sinn machen, die Behälter mittels Chip nachzurüsten, d.h. das optimistische Argument der Grünen mit dem Kompromiss die vorhandenen Ressourcen zu nutzen, löst sich in Luft auf. Die Kombination beider Systeme führt somit dazu, dass überdurchschnittlich hohe Vorhalte- und Fixkosten anfallen, die sowohl von den Biotonnen- als auch Biotütennutzern zu zahlen sind.

Und hier wird es spannend: 

Wie werden die Kosten verteilt, sollen tatsächlich Biotonnennutzer auch für die Vorhaltung der Biotütencontainer zu Kassen gebeten werden oder auch umgekehrt? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Systemkosten bei der Kombination insgesamt deutlich höher ausfallen, als bei der jeweiligen Einzelbetrachtung. Die derzeit gerüchteweise gestreuten 10, €- pro Monat sind hier absolut indiskutabel, da diese durch nichts verifiziert sind.

Es wird davon auszugehen sein, dass die Politik dazu gelernt hat und sich eine umfassende, transparente und nachvollziehbare Gebührenkalkulation vorlegen lässt und nicht so einen manipulativen Käse aus den abgesetzten Tagesordnungspunkten der Kreistagssitzung vom 16.03.20. Das Vertrauen in die Zahlenakrobatik müssen ART und Verwaltung sich erstmal wieder erarbeiten.

Wir werden in diesem Punkt sehr wachsam sein. Es bleibt insgesamt abzuwarten, wie das laufende Jahr wirtschaftlich abschließt. Die Indizien sprechen dafür, dass der Abfallgebührenhaushalt mit einem dicken Minus abschließt. Am 16.03. wurde noch eine Prognose für das Tütensystem mit einer Verdreifachung der Kosten von 400.000 € auf 1,2 Mio.€ gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsansatz vorgestellt. Im Zwischenbericht der ART zum letzten KT bzw. zur Verbandsversammlung war davon nichts mehr zu lesen. Einfach so unter den Tisch gefallen oder haben sich in den letzten drei Monate die Mehrkosten für Mengenmehrung, zusätzliche Container, zusätzliche Reinigung usw. in Luft aufgelöst? Jetzt ist der ART gefordert entsprechende Zahlen, ein Konzept, einen Zeitplan vorzulegen. Der Verdacht liegt natürlich nahe, das jede Möglichkeit genutzt werden wird, Zeit zu schinden und die Kosten hoch zutreiben, um eine Systemverkrämung vorzunehmen, denn eins ist klar, der ART hat keinerlei Interesse an der Biotonne, da nützen auch keine Lippenbekenntnisse wie "der Kreis entscheidet selbst", hier steht die angedrohte Vereinheitlichung der System im Vordergrund und die will der ART definitiv ohne Biotonne. Aber jetzt ist die Biotonne wieder da, zumindest auf dem Papier, das ist schon ein gutes Zwischenergebnis, damit werden wir uns jedoch nicht zufrieden geben und daran anknüpfen. Als nächste kommen die Kosten auf den Prüfstand, der Kreistag wird große Augen machen, wenn die "Fakten" dann kommen.

Parallel sehen wir insgesamt das System auf Verbandsebene als nicht rechtskonform an. (wir haben zu den Zuständen in BKS-WIL berichtet). Das Land wird und muss irgendwann eine Entscheidung zur offiziellen Akzeptanz des Systems für den gesamten ART fällen und hier haben die Offiziellen allen Grund nervös zu sein und brauchen sich nicht sicher zu füllen, dass die Tüte das wirtschaftlichere, besserer und einheitliche System wird.
Der Gesetzgeber sieht eine Überlassungspflicht der Bioabfälle aus Privathaushalten vor. Die Kombination von zwei nicht kontrollierbaren und absolut freiwilligen System wird definitiv diesen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht. Wir gehen ganz klar davon aus, dass die flächendeckende Biotonne das System der Zukunft ist und auch Grundlage der Vereinheitlichung wird. Da helfen keine Taschenspielertricks, keine Zahlenspielereien oder auch keine laienhafte Entscheidungen aus dem "Bauchgefühl" heraus.

Sämtliche Zahlen, Daten und Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Insofern werden wir von der Interessengemeinschaft für den Erhalt der Biotonne in der Vulkaneifel weiterhin für ein bürgerfreundliches, wirtschaftliches, soziales und ökologisches Erfassungssystem kämpfen!!!!!

Wir danken hier insbesondere auch der SPD, UWG, FDP und Die Linken für die klare und eindeutige Positionierung zu diesem Thema und bedanken uns für das Engagement und die Zusammenarbeit im Sinne der BürgerInnen.