FAKTENCHECK: „Traum oder Albtraum? – die Vereinheitlichung der Abfallgebühren!“

19.09.2020

Die Zulässigkeit der Gründung des Zweckverbande ART stand nach offizieller Mitteilung des Verbandes unter der Vorgabe der Aufsichtsbehörde, dass nach einer festgelegten Übergangszeit die Vereinheitlichung der Leistungs- und Gebührensysteme zu erfolgen hat.

Auch wurden bzw. werden immer wieder seitens der Politik oder aus der Bürgerschaft vereinzelt die Frage thematisiert, warum für vergleichbare Leistungen in den Gebietskörperschaften unterschiedliche Gebühren erhoben werden.

Diese Übergangszeit endet nach derzeitiger Planung und in Absprache mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) im Jahr 2025. Wobei hier zwischenzeitlich unterschiedliche Äußerungen im Raum stehen. So wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion im März 2020 in Gerolstein durch den Verbandsvorsteher und Landrat Eibes Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit und eine Prüfungsnotwendigkeit für eine mögliche Verschiebung auf das Jahr 2030 geäußert.

Die Leistungen sind zwischenzeitlich weitestgehend vereinheitlicht. Hinsichtlich der Gebühren bestehen jedoch weiterhin große Diskrepanzen.

Die Zuständigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft obliegt per Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) als Pflichtaufgabe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE), d.h. den Landkreisen und kreisfreien Städten. Zur Deckung der Kosten sind dazu zweckgebundene Gebühren zu erheben.

Abfallgebühren werden als finanzielle Gegenleistung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtungen der Abfallentsorgung mit allem was dazu gehört erhoben. Das Besondere an Gebühren ist, dass der Zweck der Verwendung, die Art der Berechnung und Erhebung gesetzlich festgelegt sind. Die gesetzlichen Grundlagen sind u.a. das Kommunalabgabengesetz (KAG), das KrWG sowie gebietsbezogene Abfallgebühren- und Abfallwirtschaftsatzungen.

Diese Zuständigkeit wurde mit Verbandsgründung auf den ART übertragen, der bis zur o.g. Vereinheitlichung für jedes Mitglied einen unabhängigen Teilhaushalt führt, über den die jeweiligen Mitglieder eigenverantwortlich (noch) zu entscheiden haben.

D.h. aktuell werden sämtliche Kosten gebietsbezogen betrachtet und auf das jeweilige Mitglied umgelegt. Somit besteht derzeit kein Kostenausgleich oder eine Quersubventionierung unter den Mitgliedern des Verbandes.

Aber warum bestehen weiterhin deutliche Gebührendiskrepanzen zwischen den Mitgliedern?

Zur Verdeutlichung dazu folgende Beispiele:

Beispiel 1: Gebietsstruktur

Ein Hauptkostenfaktur der kommunalen Abfallwirtschaft ist die haushaltsnahe Erfassung über Holsysteme von Abfallfraktionen, d.h. das Abfahren der Ortschaften und Leeren z.B. der Restmülltonne unmittelbar am Objekt. Dazu fahren in regelmäßigen Abständen Sammelfahrzeuge zu festgesetzten Terminen das Sammelgebiet, die Ortschaften, Straßen und veranlagten Grundstücke an. Kalkulatorisch entscheidend sind Fahrzeiten, Wegstrecke, Sammelleistung, Personalaufwand und Fahrzeugkosten.

Zum Vergleich:

In der Stadt Trier leben ca. 115.000 Einwohner auf 117 km², was eine spezifische Einwohnerdichte von ca. 980 EW/km² entspricht.

Der Eifelkreis Bitburg-Prüm ist mit 1.626 km² der größte Flächenkreis in RLP, in dem ca. 100.000 EW bzw. 60 EW/km² leben.

Der Logistikaufwand, d.h. die Erfassungsleistung und damit der Kostenaufwand, in der Stadt Trier ist erheblich günstiger als im ländlichen Raum, wo ein Sammelfahrzeug viel länger unterwegs ist, um eine vergleichbare Leistung wie in einem städtischen Ballungsraum zu erbringen.

Beispiel 2: Transportaufwand

Die zentrale Behandlungsanlage für Restmüll, die "Mechanisch biologische Trocknungsanlage" (MBT) befindet sich in Mertesdorf. In der Stadt Trier und dem Landkreis Trier-Saarburg können die Sammelfahrzeuge aufgrund der räumlichen Nähe unmittelbar nach Sammlung die MBT anfahren und den Abfall dort abladen. Es besteht ein logistischer Vorteil, da die MBT sich innerhalb des Sammelgebietes befindet.

Der Eifelkreis Bitburg-Prüm, Vulkaneifelkreis und Teilbereiche des Kreises Bernkastel-Wittlich müssen aufgrund der Entfernung die gesammelten Abfälle über eine geeignete Anlage umschlagen und zusätzlich mit einem Transportfahrzeug über eine weite Strecke die MBT anfahren. Es besteht ein logistischer Zusatzaufwand, da die MBT sich außerhalb des Sammelgebietes befindet.

So werden z.B. die Abfälle im Vulkaneifelkreis über die Umladestation Walsdorf umgeschlagen. Der zusätzliche Aufwand für den Umschlag (Anlage, Personal, Maschinen) und den Transport nach Mertesdorf (80 km einfache Fahrt) führen zu Mehrkosten von mindestens 30 €/Mg bzw. 250.000,- € pro Jahr.

Beispiel 3: Deponierückstellungen

Die Mitglieder des Zweckverbandes verfügen teilweise historisch über Altlasten z.B. in Form von ehemaligen Hausmülldeponien, die sich in unterschiedlichen baulichen Zuständen befinden. Die Deponieverordnung (DepV) unterscheidet hier Betriebs-, Stilllegungs- und Nachsorgephase. Generell müssen die Deponiebetreiber für den Gesamtzeitraum Rückstellungen bilden, über die sämtliche Kosten z.B. für Stilllegung, Nachsorge, Rekultivierung, Entgasung, Sickerwasserbehandlung abgedeckt werden müssen. Die Berechnungsverfahren sind sehr komplex und der Betrachtungszeitraum erstreckt sich über viele Jahrzehnte, so beträgt z.B. alleine die Nachsorgephase mindestens 30 Jahre. Die Berechnung hat zusätzlich nach Maßgabe des Bilanzmodernisierungsgesetzes (BilMoG) zu erfolgen. Die Methodik der Barwertberechnung mit Auf- und Abzinsung führt aufgrund Zinsdifferenzen zwischen Realzinsen und kalkulatorischen Zinsen sowie des betrachteten zweistelligen Millionenbetrages je Deponie zu erheblichen Fehlbeträgen in den Haushalten im Rahmen der jährlichen Fortschreibung und die entsprechend auszugleichen sind.

Beispiel 4: Nutzungsverhalten

Am Beispiel der Bioabfallerfassung zeigt sich, wie unterschiedliches Verbraucherverhalten eine Kostendivergenz herbeiführen kann.
Im Landkreis Vulkaneifel, der bis Ende 2019 über eine Biotonne verfügte, ist eine überdurchschnittliche Sammelleistungen im Bereich des "Modell Trier Plus" und damit verbundenen erheblichen Kostensteigerung zu verzeichnen. Nach offizieller Mitteilung belaufen sich hier die Kosten je veranlagtem Objekt zwischenzeitlich auf mindesten 60,- €.

Im Nachbarkreis Bernkastel-Wittlich wird das identische System eher als Alibisystem gelebt, d.h. keine flächendeckende Containerverfügbarkeit, keine Akzeptanz in der Bevölkerung und den Gemeinden und damit keine Sammelmengen. Die Kosten hier belaufen sich auf maximal 15,- € pro Objekt. Somit besteht nur in diesem Leistungsdetail eine Kostendifferenz von ca. 45,- € je veranlagtem Objekt bzw. bei 25.000 Haushalte im Landkreis Vulkaneifel von 1.125.000,- € pro Jahr gegenüber dem Landkreis Bernkastel-Wittlich!

Fazit:

Die Frage "Warum nicht gleiche Gebühren für gleiche Leistungen?" ist natürlich auf den ersten Blick verständlich, jedoch ist diese mit Vorsicht zu betrachten. Eine vergleichbare Diskussion könnte z.B. im Bereich der Wasser- und Abwasserversorgung geführt werden, die i.d.R. sogar kleinstrukturierter auf Verbandsgemeindeebene organisiert ist.

Es gibt sehr viele Faktoren, die einen Abfallgebührenhaushalt bestimmen. Die o.g. Beispiele sind nur eine kleine Auswahl. Die kostenrelevanten Faktoren treten dabei im Vergleich unter den Mitgliedern sehr unterschiedlich auf, überlagern sich, können sich somit summieren oder auch einen gegenseitigen Aufhebungseffekt haben.

Fakt ist, dass aufgrund der enormen Größe des Zweckverbandes (doppelt so groß wie das Saarland) und der Inhomogenität der Sammelgebiete (Stadt-Land), es u.E. nie zu einer Verursacher gerechten Gebührenfestsetzung im Sinne des KAG kommen kann.

Natürlich ist es möglich gleiche Gebühren für gleiche Leistungen festzusetzen, insbesondere wenn es die ADD genehmigt. Jedoch wird dies nur mit einer erheblichen Quersubventionierung zwischen den einzelnen Mitgliedern umsetzbar sein. Am Ende stehen die Fragen, wer für wen welche Leistungen mitfinanziert, was der gemeinsame Leistungsnenner ist, auf welchem einheitlichem Gebührenniveau sich der Verband einpendeln wird und ob die Gebührenstruktur noch gerecht ist, die aufgrund der Fläche und Divergenzen eher den Effekt einer "Steuer" einnehmen wird?

Aus diesen Gründen lehnt die Initiative die Bestrebungen zur Vereinheitlichungen der Gebühren unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ab.

Bei der derzeitigen Gebührenspirale zeigen hier alle Pfeile in eine Richtung - nach oben.

Ein Konzept mit Prognosen oder ein Plan zur Realisierung einer Vereinheitlichung gibt es öffentlich nicht. Stattdessen werden zwar aktuell Gebühren erhöht, die jedoch bei Weitem nicht genügen, um die vorhandenen Verluste in den jeweiligen Teilhaushalte zeitnah abzubauen. Die fehlende Transparenz zur Offenlage der wirtschaftlichen Hintergründe und Gebührenkalkulationen wurden öffentlich bereits an anderer Stelle zu Recht kritisiert. 

Es besteht der Eindruck, dass hier mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl der CDU geführte Zweckverband unpopuläre Entscheidungen bewusst vertagt.