FAKTENCHECK: Die „wissenschaftliche“ Evaluation des „Modell Trier Plus“ oder ein Heiligenschein für ein Alibisystem?

02.10.2020

Das "Modell Trier Plus" oder 80 Sammelstellen für 520.000 EW auf einer Fläche doppelt so groß wie das Saarland - entstanden aus den Wahlkampfwirrungen und -irrungen zur Landtagswahl im Jahre 2015 in Rheinland-Pfalz nach einem legendären Kaschenbacher Stelldichein mit dem obersten CDU Fürsten und der Führung der Aufsichtsbehörde.

Eigentlich sicherlich seitens der ART als reines Alibisystem gedacht, um die vermeintlich "verhasste" und nicht gewollte flächendeckende Biotonne abzuwehren. Aber eine Bedingung der Behörde war eine wissenschaftliche Evaluation des Systems zum Nachweis der tatsächlichen Leistungsfähigkeit, Gleichwertigkeit und Bürgerakzeptanz.

Dann erst mit drei Jahren Verspätung standen die ersten Container. Schnell stellte auch der ART gezwungenermaßen fest, dass 80 Sammelstellen, dem bestehenden Stoffstrom "Bioabfall" bei weitem nicht gerecht wurde. Die praktische Realität hat den Verband eingeholt und so musste in ein billiges "Papiersystem" mittlerweile viele Millionen Euros für ein unpraktikables System investiert werden, ohne einen effektiven Nutzen zu erzielen.

In den Jahren 2018 und 2019 erfolgte eine begleitende Evaluation durch ein "renommiertes" Fachbüro mit Vorlage eines Zwischenberichtes im Juni 2020.

Bioabfall ist neben Restmüll, Papier und LVP einer der wichtigsten Abfallströme aus Privathaushalten. Nicht ohne Grund schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Verpflichtung zur Getrennterfassung vor.

Die wesentlichen Fragestellungen sind: 

Eignet sich ein Bringsystem für die Erfassung von Bioabfall und erfüllt ein Bringsystem die Forderung des KrWG?

Während die Biotonne als Holsystem bundesweit als Regelsystem akzeptiert ist, werden Bringsysteme für Bioabfall i.d.R. in der Fachwelt abgelehnt.

Wie die Situation in der Regio Trier ist, sollte durch die Evaluation nachvollziehbar dokumentiert werden.

Dazu vorweg:

Was bedeutet "wissenschaftlich?

"Wissenschaftlich" ist die gesamtheitliche Betrachtung von Erkenntnissen und Erfahrungen, die sich auf einen Gegenstandsbereich beziehen und in einem Begründungszusammenhang stehen.

Was bedeutet "Evaluation"?

"Evaluation" bedeutet das Erfassen und Bewerten von Prozessen und Ergebnissen zur Wirkungskontrolle, Steuerung und Reflexion. Dazu werden Daten methodisch organisiert erhoben und systematisch dokumentiert, um die Untersuchung, das Vorgehen und die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.

Hat der Gutachter eine nachvollziehbare ganzheitliche Bewertung anhand der erfassbaren Kriterien vorgenommen und kann die Leistung als "wissenschaftlich" bewertet werden?

Wir sagen NEIN!

Auch der vorliegende Zwischenbericht ändert nichts an der bereits (hier) dokumentierten Bewertung:

Der Leistungsvergleich zeigt, dass die Biotüte im Vergleich zur Biotonne als bürgerfreundliches, komfortables Dienstleistungsangebot unter abfallwirtschaftlichen Gesichtspunkten lediglich homöopathische Mengen erfasst. Das Ergebnis der Evaluation ist weder als "wissenschaftlich" noch als sachlich fundiert zu bezeichnen. Die Darstellung ist einseitig, unvollständig und konzentriert sich nur auf einen "küchenstämmigen" Anteil im Rahmen einer akademischen und theoretischen Betrachtung. Woher die Zielgröße von rund 20 kg pro EW und Jahr an küchenstämmigen Abfällen kommt, bleibt ein Rätsel. Mögliche Erhebungen bzw. Quellennachweise sind nicht dokumentiert und längst veraltet. Die Situation in Rheinland-Pfalz und die hier vorhandenen überdurchschnittlichen Erfassungsraten als Quervergleich werden überhaupt nicht beleuchtet.

Abgesehen davon findet keine Wertung der Gesamtökobilanz, der Barrierefreiheit, des Preis-Leistungsverhältnisse, der Auswirkungen auf andere Sammelsysteme und Stoffströme statt. 

Die Anforderungen bzw. Zielsetzung zum Thema aus einem vorliegenden Entwurf des Klimaschutzprogrammes RLP werden überhaupt nicht berücksichtigt und komplett verfehlt.

Es ist offensichtlich, dass es hier nicht um eine ergebnisoffene Untersuchung geht, sondern einzig und alleine darum, die Biotüte als System schön zu färben und in ihrem Bestand zu zementieren.

Es ist bedauerlich, dass ein bundesweit renommiertes Institut sich zum Steigbügelhalter eines Systems macht, das unter allen erdenklichen Aspekten versagt hat.

Quelle: Evaluationsbericht über eine Anfrage "FragDenStaat"