Die Kostenfalle "Deponierückstellungen" - das schwarze Loch der Gebührenkalkulation?

08.08.2019

Ein Lieblingsthema des Zweckverbandes ART zur Begründung der drastischen Gebührenerhöhungen ist seit 2015 die vermeintlich deutlich gestiegene Aufwendungen im Bereich der Deponienachsorge infolge eines gestiegenen Rückstellungsbedarfes.

Was bedeutet Deponierückstellung?

Der Betreiber einer Deponie ist verpflichtet mit Beendigung der Ablagerungsphase die Kosten erwirtschaftet zu haben, die für die Finanzierung der Stilllegungs- und Nachsorgephase erforderlich sind. Diese Kosten umfassen z.B. Aufwendungen für die Herstellung der Oberflächenabdichtung, Betrieb der Entgasung und Sickerwasserreinigung und Umweltmonitoring u.v.m., bei den ehemaligen Hausmülldeponien kann dies einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahren umfassen.

Um die Kosten zu ermitteln, muss der Betreiber eine Berechnung durchführen, in der die erforderlichen Maßnahmen definiert werden, der Zeitpunkt der Umsetzung sowie die jeweiligen Kosten hinterlegt werden.

Seit Inkrafttreten des Bilanzmodernisierungsgesetztes muss diese Berechnung mittels der sogenannten Barwertmethode durchgeführt werden, die sich wie folgt vereinfacht zusammenfassen lässt:

1. Es erfolgt eine Kostenprognose für sämtliche Aufwendung mit dem Preisstand heute (aktueller Nominalwert).

2. Es wird ein Preissteigerungsfaktor festgesetzt, mit dem die Kosten bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit hochgerechnet werden. Es ergibt sich der Nominalwert zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Achtung Kostenfalle hier: Die Festlegung der Preissteigerung liegt hier im Ermessen des Betreibers.

3. Der Nominalwert zum Zeitpunkt der Fälligkeit wird nach den gesetzlich vorgegebenen Zinssätzen der Bundesbank in Abhängigkeit des Fälligkeitszeitraumes abgezinst. Der sich ergebende Betrag (Barwert) stellt die Summe dar, die durch den Betreiber tatsächlich im aktuellen Haushaltsjahr zu bilanzieren, d.h. zu erwirtschaften, ist.

4. Diese Berechnung ist i.d.R. jährlich hinsichtlich der Zinsentwicklung und Kostenprognosen zu aktualisieren und fortzuschreiben.

Warum besteht die Gefahr einer Kostenfalle für den Gebührenhaushalt?

Die Rückstellungsberechnung kann innerhalb einer Gebührenkalkulation die Wirkung eines schwarzen Loches haben, wenn z.B. durch ein übertriebenes Sicherheitsdenken, überdurchschnittliche Standards oder eine überhöhte Preissteigerungsrate der Nominalwert zum Zeitpunkt der Fälligkeit und damit der maßgebende Barwert am Ende in die Höhe getrieben werden.

Dies bedeutet zum einen, dass möglicherweise zu viel Rücklagen gebildet werden und zum anderen der Gebührenhaushalt jährlich und langfristig mit sehr hohen Fehlbeträgen aus der Differenz aus tatsächlichem Zinsertrag und den gesetzlichen Abzinsungssätzen belastet werden.

Der Zweckverband hat 2015 nach der Aufgabenübertragung auch die Betreuung der Deponien und damit die Verantwortung über die Rückstellungen übernommen.

Die Kostenberechnung wurde für alle Deponien neu durchgeführt, mit teils erheblichem defizitären Ergebnis für einzelne Deponien. So musste z.B. im Landkreis Bernkastel-Wittlich 2015 ein Defizit von ermittelten 13 Mio. € durch Verrechnung einer Sonderrücklage in Höhe von 9 Mio. € (Eigenkapital) und Ausweisung eines Fehlbetrages in Höhe von mindestens 4 Mio. € ausgeglichen werden, mit der Konsequenz einer notwendigen und drastischen Gebührenerhöhung. Trotz der Gebührenerhöhung in 2018 und 28 %, besteht weiterhin ein Fehlbetrag im Gebührenhaushalt von aktuell ca. 5 Mio. € u.a. infolge der dauerhaft erforderlichen gestiegenen Zuführung zu den Deponierückstellungen.

Welche Ansätze der Neukalkulation zu Grunde gelegt wurden, ist den öffentlich zugänglich gemachten Unterlagen nicht zu entnehmen.

In einer derartigen Kalkulation existieren hunderte von Stellschrauben, über die ein Betreiber eine Berechnung steuern und individuelle Gegebenheiten berücksichtigen kann. Eine wesentliche Stellschraube stellt die Preissteigerungsrate dar. Erfahrungsgemäß ist hier z.B. ein Wert größer 1,5 % akzeptabel.

Aber was passiert, wenn die Preissteigerung zu hoch festgesetzt wird bzw. erhöht wird?

Beispiel:

In 20 Jahren ist eine Investitionsmaßnahme in Höhe von 20 Mio. nach heutiger Kostenberechnung erforderlich.

Frage: Wie hoch ist der Rückstellungsbetrag (Barwert), der zum heutigen Zeitpunkt im Gebührenhaushalt ausgewiesen sein muss? 

Nominalwert heute: 20 Mio. €

Preissteigerung: 1,5 %
Abzinsungssatz: 4 %

Ergebnis:
=> Nominalwert zum Zeitpunkt der Fälligkeit:  26,9 Mio. €
=> erforderlicher Barwert:  11.9 Mio. € 

Zum Vergleich:

Erhöhung der Preissteigerungsrate von 1,5 % auf 2,5 %

Ergebnis:
=> Nominalwert zum Zeitpunkt der Fälligkeit:  32,7 Mio. €
=> erforderlicher Barwert:  14,4 Mio. €

Fazit:

Die Erhöhung der Preissteigerungsrate im genannten Beispiel um 1 % führt zu einer Erhöhung der kalkulierten Herstellungskosten um 5,8 Mio. € und des erforderlichen Barwertes um 2,5 Mio. €, der unmittelbar einen Gebührenhaushalt negativ beeinflussen würde.

Der Zweckverband verwaltet Rückstellungen im dreistelligen Millionenbereich. Änderung an nur dieser Stellschraube hätte eine Auswirkung um das Vielfaches wie im genannten Beispiel.

Inwiefern der Zweckverband hier eine entscheidende Änderung gegenüber den früheren Berechnungen vorgenommen hat, ist den öffentlichen Unterlagen nicht zu entnehmen.

Aber der Politik wird hier dringend empfohlen diesbzgl. die Verwaltung um Stellungnahme aufzufordern, d.h. wurde eine Veränderung der Preissteigerungsrate nach 2015 vorgenommen, wenn ja, in welcher Höhe und mit welchen Auswirkungen für den Gebührenhaushalt?